Richie Arndt – Blues Masterclass
Checken wir Richie Arndt bei der Arbeit – auf Bühnen oder hinter Studioglas – wird schnell klar: Der Mann ist das komplette Paket. Der deutsche Blues-Botschafter?! Sagt wer? Die Öffentlichkeit: Richies Währung ist die Publikums-Resonanz bei Gigs und Tonträgern. Dazu wählten ihn Fans zum Best Contemporary Artist beim Blues In Germany Award 2015. Im Folgejahr gab es den German Blues Award 2016 – Best Album. Vor Covid der dritte Ritterschlag: German Blues Award 2018: Best Voice / male. Und vor wenigen Tagen, am 10. September, bekam Richie den German Blues Award 2022: Best Guitarist! – Früh wurde klar, dass Richie mehr von Gitarristen der britischen Inseln beeinflusst war als von jenen der Staaten – eher Rory als B.B. Ein Beginn, der Richie in 3 Dimensionen inspirierte:
Gitarren: Im Bandkontext bekommen wir den gewieften Rhythmus-Player, gegen den Keef sich fast wie ein Poser ausnimmt. Der Leadgitarrist in Arndt ließe einen Eric aufmerken. Lasst Richie sein Bottleneck rausholen – er zelebriert eine mal zerrende, mal zarte Slide, als tue er das sein Leben lang. (Tut er). Und das ist noch immer nicht das ganze Spektrum: Richies Akustik-Gitarren erzählen Geschichten, ohne dass ein Wort gesungen/gesprochen werden muss. Kombiniert er spielerische Eloquenz mit den Martins & Gibsons anderer – wie Gregor Hilden – entwickeln sich 6- & 12-saitige Konversationen voll seelischer Tiefe und Genugtuung.
Gesang: Es gibt Sänger, die trinken Hochprozentiges, um heiser & heavy zu wirken – Hauptsache es klingt „authentisch“, vom „harten Leben“ gezeichnet. Richies Stimmbänder wirken sicher, Ton-rein, mild oder wild, melancholisch oder ungezähmt, wie der jeweilige Song es verlangt. Es ist stets Richies ureigenes Timbre, keine Rolle. So erkennen Fans ihn wieder, schätzen seine pure, unprätentiöse Lesart. Er folgt unbeirrt dem eigenen Trail, seine Stimme als weitere Visitenkarte.
Story-Telling: Richie reist. Er wird uns davon erzählen, bei der Bühnen-Plauderei ebenso wie in Projekten wie “Train Stories“ und “Mississippi“-Abenden. Doch die besten Stories finden sich in Richies variablem Song-Writing. Wir tauchen irgendwo in Arndts Mega-Katalog von 16 Alben: “How Can I Win (Your Love Again)“ regt unsere Vorstellung so intensiv an, eine Cover-Version? Ist es nicht: er schrieb den Song mit Sparrings-Partner Felix Janosa. Danach auf jenem Album AT THE END OF THE DAY: “My Brother Jake“: klingt wie Richie – nur Reggae-visiert. Ist aber ein altes Free-Juwel von Andy
Fraser und Paul Rodgers. Nur dass Richie Jakes Story erzählt, als sei sie seine ureigene.
Background? Erfahrung lehrt Richie, dass Musikgrenzen fließend sind: “Der Blues“ enthält sowohl Jazz-Elemente als auch Gospel, Rock & Pop. Reggae ist karibischer R&B. B.B. King hörte auf seinem Japan-Transistor nur Country: Es gab nichts anderes! Breites Spektrum, die Freiheit, alles in den Musiktopf zu werfen, was dir gefällt, charakterisiert alle Arndt-Projekte. Es charakterisiert auch die aktuelle Richie Arndt Band, 2018 gegründet, oft mit der US-amerikanischen Singer/Songwriter- Powerfrau Kellie Rucker. Dabei geht es in Richies Musik nicht um Hommagen – sein Repertoire kommt aus ihm selbst. Heimische Fans zwischen Sylt und Salzburg müssen nicht in die Ferne schweifen. Es reicht ja schon, wenn Richie das tut – er spielte schon in fast allen europäischen Ländern zwischen Moskau und Memphis.
Nochmal: wie kann Richie Arndt Blues-Botschafter sein? Geboren in Ostwestfalen, verdammt weit weg vom Mississippi. Nun, Clapton stammt aus Ripley, Surrey – auch nicht gerade Atlanta, Georgia: Süd-England hat mehr mit Cliff Richard zu tun als mit Little Richard. Also hört auf mit Westfalen – man muss auch keine Baumwolle picken für den Blues: Gitarrenpick, Stimme und Stories – und los!
